Susanne Piotter, Artefakt No. 31, 2021, Beton, 16 x 20 x 16 cm
Ort:
Kunstverein KunstHaus Potsdam

Ulanenweg 9
14469 Potsdam

Telefon: +49 331 2008086

www.kunstverein-kunsthaus-potsdam.de

Öffnungszeiten:
Mi. - So. 12 - 17 Uhr und nach tel. Vereinbarung

Eintritt: Frei

Barrierefrei:
√ Eingang ebenerdig
√ Assistenzhund zugelassen
√ Voll zugänglich
√ Parkplatz für Rollstuhlfahrende
12.09.2021 bis 24.10.2021
Veranstalter: Kunstverein KunstHaus Potsdam e.V.

Three Point Turn

Ines Doleschal, Pauline Kraneis, Susanne Piotter

Es ist eine beliebte Aufgabe bei Fahrprüfungen: Auf engstem Raum soll für einen Richtungswechsel mit dem Fahrzeug eine 180-Grad-Wendung durchgeführt werden. Interessant an dieser Dreipunktwendung ist, dass durch das Vor- und Zurückfahren in verschiedenen Radien das einst vorausliegende wie das zurückgelegte und seitliche Umfeld jeweils neu in den Blick genommen werden muss. Ines Doleschal, Pauline Kraneis und Susanne Piotter regen mit ihrer Ausstellung Three Point Turn zum Rundumblicken auf ein hochaktuelles Thema aus künstlerischer Perspektive an: Traditionelle Fortbewegungsmittel, umfangreiche Straßennetze und Flächenasphaltierungen im Stadtraum werden durch die Künstlerinnen in unterschiedlichen Medien reflektiert. Die bis heute städtebaulich manifestierte Infrastruktur resultiert aus dem einstigen Fokus auf größtmögliche Mobilität in Stadt und Land und deren Gleichsetzung mit persönlicher Freiheit und Lebensqualität.

Höchste Zeit für eine Revision! Schon lange interessieren sich die drei Künstlerinnen für Diskrepanzen im städtischen Raum und seiner Peripherie. In dem von Menschen für Menschen gestalteten metropolitanen Umfeld erfassen sie verödete, vernachlässigte oder abweisende Orte und Bauten, die einst für hochfunktionale Urbanität, grenzenlose Mobilität und städtebauliche Avantgarde standen. In den Medien Zeichnung, Collage, Malerei und Skulptur untersuchen sie städtische Leerstellen und Brachen und verwandeln das KunstHaus Potsdam in einen Denk- und Diskursraum, in dem Themen wie Dimensionen von Bauvorhaben, Mobilitätswahn sowie Klimasünden und urbane Lebensqualität zur Disposition gestellt werden.

Die Künstlerinnen fordern mit ihren Werken durch eine spezifische Ästhetik eine kritische Auseinandersetzung des Abgebildeten oder Paraphrasierten heraus. So changieren die Beton-Objekte mit dem Titel Artefakte von Susanne Piotter zwischen Relikt, Modell und Ornament. Zweifellos erinnern sie an Architekturen im Stil des Brutalismus, der ab den 1960er Jahren weltweit en vogue war. Grobe, bizarre Konstruktionen oder Versatzstücke sowie die Uneindeutigkeit von Außen- und Innenräumen eröffnen neue Perspektiven, Verbindungen und Möglichkeiten. Beinahe poetisch hingegen muten hierzu ihre Autobahnkreuze aus Beton an, die in Teleansicht an die Ornamentik gotischer Kathedralen denken lassen. Teilansichten von Betonbauten sind auch das Thema der Gemäldeserie Concrete von Ines Doleschal. Ungewohnte Blickführungen auf Öffnungen, Mauern, Durchblicke und Hohlräume in den architektonischen Ensembles lassen die Betrachter:innen im Ungewissen, ob diese Bauten gemalte Utopien oder eingefangene Realität sind. Dazu wirken die Collagen der Serie Berlin Südwest wie Versuchsanordnungen oder Modelle einer neuen Moderne, die sich hierzu positionieren will. Pauline Kraneis spielt in ihren Werken mit der Zwei- und Dreidimensionalität, mit Durchblicken und Transparenzen, wenn sie gefundenes Bildmaterial in ihre Zeichnungen übersetzt. Dabei besetzt und erweitert die Künstlerin zeichnerisch oft den realen Raum und stellt damit das architektonische Gleichgewicht wie auch unsere Wahrnehmung auf die Probe. In der Auslotung der Grenzen ihres eigenen Mediums hinterfragt sie vorhandene Architekturen und dargestellte Räume. Für die Ausstellung wird Pauline Kraneis eigens eine neue Wandarbeit fertigen.

Die drei Künstlerinnen verweisen auf fragwürdig gewordene städtebauliche Infrastrukturen und regen mit ihrer Ausstellung zum Nachdenken an, wie ein three point turn gelingen könnte.

(Text: Constanze Musterer)